NEWS: EL MUNDO 01/08/16: SPANIEN LAND DER KELLNER

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Spanien ist auf dem besten Weg, sich zu einem Land von Kellnern zu entwickeln

Die spanische Tourismusbranche boomt, und als einer der wichtigsten Wachstumsmotoren des Landes bewirkt dies natürlich auch eine Erholung der durch die Krisenjahre und dem Platzen der Immobilienblase schwer in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft.

Aber wie verläuft diese Erholung? Die etwas überzeichnet wirkende Überschrift der zweitgrößten spanischen Tageszeitung „El Mundo“ soll dabei auf die Qualität der nach der Krise neu entstandenen Arbeitsplätze hinweisen.

Waren im August 2007 am Anfang der Krise 19,1 Millionen Personen bei der spanischen Sozialversicherung Seguridad Social versichert, so fiel diese bis zum Höhepunkt der Krise im Januar 2013 auf 16,1 Millionen Versicherte ab, also ein Abbau von 3 Millionen Arbeitsstellen.

Die Erholung verlief durch einige Aufs und Abs bis schließlich im Juni 2016 17,7 Millionen versicherungspflichtige Jobs gemeldet waren. Immerhin konnten also 1,6 Millionen von den verlorenen Stellen wieder neu geschaffen werden.

Vergleicht man aber die Art der geschaffenen Jobs, so haben diese nicht mehr viel mit den verloren gegangenen zu tun. Vielmehr sind hierbei viele prekäre, unsichere Stellen dabei, Teilzeitangebote, Jobs mit gesenkten Gehältern und der Vermehrung mit Selbstbeschäftigten (autónomos).

So sind also, obwohl ein Arbeitsplatz von zwei, drei oder mehr Personen durch Arbeitszeitteilung belegt werden, immer noch 1,4 Millionen Arbeitsverhältnisse nicht wieder geschaffen worden, die vor der Krise bestanden. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Seguridad Social, denn die neu geschaffenen Jobs zahlen natürlich wesentlich geringer ein als vorher die Vollzeitarbeitsplätze, da bei Teilzeitarbeit und niedrigeren Löhnen eine niedrigere Abgabequote aufgrund der Staffelung der Prozentanteile anfällt. Somit dienen die geschaffenen Stellen also nur dazu, die Statistiken aufzublähen, ohne entsprechende Beitragszahlungen zu erhalten. Dies gilt aber nicht für die Rentenkasse, die trotzdem die geregelten Mindestrenten wird auszahlen müssen.

Auch für die Einkommenssteuer des Landes wirkt sich dies negativ aus, denn viele der neu geschaffenen Jobs liegen unterhalb der 12.000,- € Nettogrenze, ab der erst die Besteuerung einsetzt.

Bei genauerer Betrachtung der Zahlen fällt auf, dass einige Arbeitsbereiche mehr Arbeitsstellen anbieten als vor der Krise, während in anderen die Zahl der Stellen erheblich abgenommen hat. Und, um wieder auf die Überschrift zurückzukommen, wurden mehr als 208.000 Stellen im Bereich des Gastgewerbes (Bars, Restaurants -also Kellner- und Hotels) mehr geschaffen, als vor der Krise vorhanden waren. Und hier macht sich sicherlich der Boom in der Tourismusindustrie bemerkbar, der seit 2 Jahren unverändert anhält. Gerade in dieser Berufsgruppe sind aber auch die prekären Arbeitsverhältnisse (Arbeit auf Zuruf), die Saisonalität des Tourismus (Frühjahr und Sommer) und damit die befristeten Verträge beheimatet. Trotzdem stellt sie mehr als 10 % aller angemeldeten Arbeitsstellen in der Seguridad Social.

Ein weiterer Bereich, der nach der Krise überproportional gewachsen ist, sind die Informatiker. Es gibt fast 48.000 mehr neue Stellen, als durch die Krise zerstört wurden. Hier ist der Anteil der Selbständigen über 10 % gestiegen, eine Entwicklung, die durch die Krise gefördert wurde, da viele junge Informatiker, die keine Stellen finden konnten, sich mit eigenen Projekten unabhängig gemacht haben.

Auch die Zahl der Lehrer ist deutlich gewachsen. Gab es vor der Krise fast 600.000, sind es jetzt fast 860.000, wobei mehr als 12 % davon selbständig tätig sind. Dieser Bereich hat durch die Krise profitiert, denn während des Baubooms in Spanien viele junge Menschen sich dazu entschieden, auf eine Ausbildung zu verzichten und lieber als Ungelernte auf dem Bau mit seinen damaligen unglaublichen Löhnen (Angebot und Nachfrage) anzuheuern, mussten sie dann feststellen, dass man in Krisenzeiten damit kein Butterbrot mehr verdienen kann. Also bemühten sie sich dann doch um eine (oftmals privat zu zahlende) Ausbildung bei einer der zahlreichen gewerblichen Anbieter.

Auch in der Landwirtschaft wurden mehr Stellen geschaffen (über 148.000), davon sind aber 260.000 selbständig Tätige dabei (vor der Krise nur 84.000). Hier kann man ablesen, dass aufgrund des Stellenmangels viele Menschen aus den Städten wieder auf das Land gezogen und ihr Glück auf selbständiger Basis in der Landwirtschaft gesucht haben.

Aber welche Berufszweige haben nun am meisten verloren? Dabei ist zunächst natürlich die Baubranche zu nennen. Hier wurden 1,3 Millionen Arbeitsplätze durch die Immobilienblase und dem sich daran anschließenden Baucrash vernichtet. Die Baubranche erholt sich langsam, wird aber sicherlich nie mehr die Zahlen von Sommer 2007 erreichen. Sie ist froh, die Zahl der angemeldeten Stellen 2016 auf ca. 1 Million wieder angehoben zu haben. Zusätzlich kommen noch über 100.000 verlorene Jobs in der Kiesgrubenbewirtschaftung und 143.000 in dem Immobiliensektor  (Makler, Bewirtschafter, etc.) dazu.

Genauso schlimm betroffen ist die Industrie. Hier sind auf ganzer Breite ca. 900.000 Stellen verschwunden, von der Automobilbranche über die Textil- und Lebensmittelindustrie, von der Möbel- über die Transportindustrie, von dem Metall- über die Maschinenindustrie. Das ist ein nie dagewesener Einbruch.

265.000 Stellen sind im Gesundheitsbereich an Ärzten und Krankenpflegepersonal weggefallen, ein Aderlass, der sich zwangsläufigerweise in der Qualität der Behandlung der Volksgesundheit niederschlagen muss.

Selbst im Banken- und Finanzdienstleistungssektor kam es zu einem Abbau von Arbeitsstellen (30.000).

All diese Zahlen lassen den Schluss zu, dass die wirtschaftliche Erholung Spaniens noch auf wackeligen Beinen steht und es noch einer langen Zeit bedarf, bis man von einer wirklichen und dauerhaften Erholung des Landes sprechen kann. Entscheidend dafür dürfte auch die politische Entwicklung sein, die jetzt seit über 8 Monaten durch die entstandene Pattsituation im spanischen Parlament gelähmt wurde. Die in- und ausländischen Investoren brauchen eine Sicherheit, wie es mit der politischen Lage weitergehen soll. Es wäre dem Land nur zu wünschen, dass es recht schnell zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung kommen kann.

(Zahlen aus El Mundo, News vom 01.August 2016)

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